Linkshändigkeit - ein werkpädagogisches Problem?!
Die Auseinandersetzung mit der Händigkeit ist für Erzieher_innen und Lehrer_innen aus zweifacher Hinsicht von Bedeutung: Zum einen geht es um die eigene Biografie und zum anderen um die Modellwirkung beispielsweise bei der Einführung einer Werktechnik. Letztlich ist die Händigkeit ein Beispiel für die Bedeutsamkeit der Diversität im pädagogischen Kontext. Es besteht die Gefahr, dass sich Linkshänder am gängigen Modell einer rechts orientierten Welt anpassen
und ihre dominante linke Hand im handwerklichen wie alltagspraktischen Kontext zurückstellen. Außerdem fällt es Erziehern schwer, für alle Kinder und Jugendliche ein leicht zu kopierendes Modell zu sein. Dies ist beim Erlernen einer Technik aber von großer Bedeutung! Gerade die Werkarbeit führt unweigerlich zu einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Vertrauen in die praktischen Fähigkeiten. Im Raum steht dabei die Befürchtung, mit den Werkzeugen „linkisch“ umzugehen und als ungeschickt zu gelten. Schnell wird daraus ein Teufelskreis: Versagensängste führen zu einer unsicheren Handhabung und zu weiteren Fehlern, welche das Unvermögen scheinbar beweisen. Als Erklärung wird oft angeführt, dass man für handwerkliche Arbeiten unbegabt sei und kein Talent habe. Dabei wird aber der Stellenwert der Veranlagung überschätzt (vgl. Wilson 1998: 225 zur Begabung in der Musik)1. Weit häufiger spielen hier Lernprozesse eine Rolle. Bei einem Teil der Studierenden mit einer ausgeprägten Linkshändigkeit muss davon ausgegangen werden, dass unpassende Modelle und Werkzeuge das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten schwinden ließen. Die Frage ist dabei auch, wie der Glauben in die manuellen und technischen Fähigkeiten die Berufswahl angehender Erzieherinnen bestimmte. Dessen ungeachtet brauchen fundierte Fertigkeiten einen hohen Übungs- und Vertiefungsaufwand. Nicht nur Linkshändern fehlt oft diese Zeit. Meine Erfahrungen als linkshändiger Werklehrer zeigen, dass ein solches Modell rechtshändige Studierende irritiert: die vorgezeigten Bewegungsabläufe können nicht ohne weiteres nachgeahmt werden. Dieser Umstand zwingt zu Anpassungsleistungen, welche von Linkshändern permanent erwartet werden. Letztlich kommt es darauf an, dass die eigene Biografie kritisch hinterfragt wird und sozialpädagogisches Fachpersonal für geeignete Modelle sowohl für Links- als auch für Rechtshänder sorgt. Wieso sollten nicht auch erfahrene Kinder eine Werktechnik vorzeigen und so das Modell der Erzieherin/des Erziehers ergänzen?